„Ohne Publikum passiert nichts“ – Wormser Zeitung, 20.04.2015

Von Christian Mayer

IMPROVISATIONSTHEATER – Die Zuschauer bestimmen mit viel Spaß, was „Subito“ spielt

WORMS – „Wir haben nichts vorbereitet. Wir werden einen ganzen Abend lang improvisieren.“ Mit diesen Worten beginnt Helga Liewald, Mitglied des Improvisationstheaters „Subito“, den Abend im Lincoln-Theater. „Wir sind auf Vorschläge aus dem Publikum angewiesen“, sagt die blonde Schauspielerin und deshalb müssen sich auch die Zuschauer erst einmal aufwärmen, aufstehen, Sterne vom Himmel pflücken, sie zu Sternenstaub zerreiben und damit, zum großen Amüsement aller, dem Nachbarn die Schultern einreiben.

Geistreich und spontan

Das Lincoln ist nicht voll, aber die Gäste, die erschienen sind, beobachten fasziniert das improvisatorische Spiel der drei Schauspieler, begleitet von der die Stimmung unterstützenden Musik von Michael Bibo. Szene für Szene improvisieren sie, geistreich und spontan, und immer ist auch das Publikum involviert. Die Zuschauer schreiben Musikstile auf kleine Zettel, rufen Gefühle in Richtung Bühne und warten gespannt, wie Wut, Trauer und Zorn auf der Bühne umgesetzt werden. Es ist ein ständiges Neuerfinden und Zerfallen; die Geschichten entstehen, verharren kurz und ziehen dann weiter. Das Ensemble von Subito erschafft eine eigene Welt aus Gedanken und lässt das Publikum daran teilhaben. „Es wird improvisiert und deshalb darf und muss auch mal etwas richtig schiefgehen“, warnt Liewald zu Beginn – ohne das dies notwendig gewesen wäre.

Es gibt sehr gute und weniger gute, höchst amüsante und nicht-komische Szenen, aber keine, die Langeweile aufkommen lassen. Ständig spielen die Akteure neue Spiele und bitten um neue Inspirationen, begleitet von der manchmal beschwingten, manchmal traurigen, manchmal spannenden Rhythmik des Keyboards. Eine Szene spielt gar auf Wunsch der Zuschauer auf dem Wormser Backfischfest. Die Szene ist der Vergleich zwischen einem Film bei RTL und bei Arte, weil Valérie Lecarte sagt: „Immer wenn ich abends zwei Stunden Arte geschaut habe, ohne dass wirklich etwas geschieht, dann fühle ich mich wuschig und intelligent.“ Es ist eine spontane Kritik an der Welt der Fernsehprogramme, die zwischen unerträglich intellektuell und nicht minder unerträglich niveaulos schwankt. Ole Steinmann, Gast-Darsteller vom Ampere-Theater Frankfurt, kann mit der Schnelligkeit und Dynamik der beiden Damen nicht ganz mithalten, aber auch er bringt sich immer wieder auf amüsante Art und Weise ein. Bei einem Potpourri verschiedener kurzer, ineinander übergehender Szenen am Anfang und am Ende, bei denen sich die Schauspieler gegenseitig abklatschen und mit einer neuen Idee in eine Szene springen, liegt immer, wenn einer den anderen ablöst, dieser Hauch von Spannung in der Luft, der das Improvisationstheater ausmacht: Dieser kurze Moment, bei dem der eine Schauspieler die Idee des Anderen noch nicht erraten hat und noch nicht weiß, welche Rolle er einnehmen wird.

„Wir schmeißen uns in die Gefühle hinein“, sagt Helga Liewald und genau das tun sie auch. Sie schmeißen sich in die Gefühle, in die Situationen und Ideen. Sie schmeißen sich in die Kunst des Improvisierens und in den Moment des Unvorhergesehenen.

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