»Wenn die Rose gruselig sein soll« – Wiesbadener Tagblatt, 24.10.11

Wiesbadener Tagblatt, 24.10.2011
Wenn die Rose gruselig sein sollUnterhaltung der Extraklasse von Impro-Theater „Subito“ im Wettstreit mit „Kopfsalat“24.10.2011 – IDSTEIN
Von Beke Heeren-Pradt„Fünf, vier, drei, zwei, eins, los“ – Kenner der Szene wissen, worum es sich handelt, wenn von Fünf heruntergezählt wird. Es geht um Theaterspiel der besonderen Art: Improvisationstheater. „Nennen Sie uns einen Gegenstand, der nicht in die Hosentasche passt“, „Nennen Sie uns ein beliebiges Adjektiv “, dann wird „eingezählt“ und die Bühne ist frei.
„Subito“ und „Kopfsalat“ in gemeinsamer vergnüglicher Aktion im Idsteiner Gerberhaus.
Foto: wita/Udo Mallmann
Im Gerberhaus war Improtheater-Zeit, und die zahlreich erschienenen Besucher erwiesen sich als Kenner-Publikum, das sich ohne große Einweisungen einbinden ließ in das Werden der Stegreifszenerie, die die zwei Akteure des Wiesbadener Improtheaters „Subito“ und ihre beiden Gäste von „Kopfsalat“ aus Heidelberg in Sekundenschnelle umzusetzen verstanden.Sechs Podestplatten, vier Stühle, ein kleiner Koffer mit wenigen Utensilien, ein Pianist am Keyboard – fertig ist die Bühne im historischen Gerberhaus. Szenerie und Atmosphäre entstehen allein durch Sprache, Gestik und Mimik der agierenden Schauspieler und durch die ebenfalls aus dem Stegreif gespielte Musik am Keyboard.In der Form des sogenannten „Dutch Square“ schaffen die Improspieler in wenigen Sekunden vier verschiedene Szenerien, die in unterschiedlichen Zweier-Konstellationen immer nur wenige Augenblicke lang weitergespielt werden, ehe das nächste Thema drankommt: Familienzwiste, Liebe auf den ersten Blick, Sternenhimmel – das sind die Assoziationen, die sich aus dem Stegreif ergeben, und die sich scheinbar wie von selbst weiterspinnen – bis hin zum angeleiteten Selbstmord.Improtheater – das ist ein Feuerwerk von Sprache, Einfällen, Assoziationen und uneingeschränkter Freude am Spiel. Helga Liewald und Marcus Reichardt von „Subito“, sowie ihre Gäste Moritz Zaiß und Konrad Seifert von „Kopfsalat“ schaffen es im Handumdrehen, ihr Publikum einzuwickeln in die aberwitzigsten Szenerien.Sie präsentieren dabei die unterschiedlichsten Formate des Stegreiftheaters und wagen einen fast zweieinhalbstündigen Ritt durch die Genres. Großes Drama kommt ebenso vor wie Musical, Krimi oder Liebesschnulze. „Subito“ hatte eingeladen zum sogenannten „Match“, einer Art Wettstreit um die Gunst des Publikums. Jedes der Ensembles darf mit einem Spiel seiner Wahl beginnen, bekommt aber vom Publikum inhaltliche sowie vom Matchgegner formale Vorgaben.Bei einer sogenannten „Replayszene“ herrscht ebenfalls Wettbewerb. Helga Liewald von „Subito“ und Konrad Seifert von „Kopfsalat“ entwickeln spontan eine Szene zum Thema Busfahrer und Weihnachten. Die beiden Match-Teams sind dann gefordert, die Szene in entsprechender musikalischer Stilrichtung zu variieren. Es kommt zu einer geradezu sprühenden Hip-Hop-Rap-Version von „Kopfsalat“, anschließend zu punktet „Subito“ mit einem gleichsam schneidenden Hardrock-Auftakt, der in eine herzzerreißende Opernszene zum selben Thema übergeht.

Das Idsteiner Publikum mag sich angesichts von so viel Kreativität, Einfallsreichtum und Können nicht für eines der Ensembles entscheiden. Am Ende herrscht Gleichstand in der Punktvergabe. Auch das Stegreif-Musical „Die gruselige Rose“, das noch einmal großes Gefühlskino beider Teams bietet, und die abschließende „Wort-für-Wort-Geschichte“, in der jeder Spieler immer nur ein Wort zu einer Handlung beitragen darf – beliebte Füllwörter waren verboten-, brachten keine Entscheidung.

Den wesentlichen Punkt konnte das Publikum schließlich am Ende ohnehin für sich verbuchen: Es hatte einen Abend der Unterhaltungs-Extraklasse genossen, den zwei professionelle Schauspiel-Teams toll gestaltet haben.

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