»Kakerlaken-Bällchen in der alten Kirche« – Wiesbadener Kurier, 23.02.11

Wiesbadener Kurier, 23.02.2011
Kakerlaken-Bällchen in der alten Kirche

23.02.2011 – NIEDERNHAUSEN
Von Christine Dressler
KULTUR LOKAL Improvisationstheater „Subito“ sorgt vor Niedernhausener Publikum für Mords-Stimmung / Mit Hummer erstochenDie Königshofener Metzgerei Ulrich verteilt Präservative, im Umfeld des Rhein-Main-Theaters floriert der illegale Lippenstifthandel und Pfarrer Debus wirft angeblich Tierkadaver in fremder Leute Briefkästen: Mit seinem interaktiven Bühnen-Krimi „Rotecke“ stürzte Wiesbadens ältestes Improvisationstheater „Subito“ die Gemeinde Niedernhausen ins Chaos und das Publikum im Zentrum Alte Kirche (ZAK) von einem Lachanfall in den nächsten.
Bernhard Mohr, Helga Liewald und Valérie Lecarte (v.l.) mit den roten Dreiecken, durch die jeder Besucher in der Pause dokumentieren konnte, wen er für den Mörder hält.
Foto: wita/Mallmann
Bühnen-KrimiDas lag auch an den Stichworten von den rund 70 Besuchern. Denn die vier Schauspieler reagierten spontan auf das, was die Zuschauer ihnen auf Zetteln oder per Zuruf an Anhaltspunkten für die Entwicklung des Krimis und die Mördersuche lieferten.„Das wird ein sehr unterhaltsamer Abend“, versprach ZAK-Vorsitzender Franz Rosenbusch zu Beginn den Gästen. Dass „Subito“ so viele und vor allem junge Leute anlockte, die noch nie in der Kulturkirche waren, freute seine Vorstandskollegin Ingrid Schikora. Sie hatte das 15 Jahre alte Ensemble in der Theißtalschule gesehen und war von der Aufführung so begeistert, dass sie es fürs ZAK gewinnen wollte. „Die kannten die Alte Kirche noch gar nicht und waren überrascht, dass es hier einen so schönen Raum zum Theaterspielen gibt“, berichtete Schikora. Als die Theatergründer Bernhard Mohr und Christiane Krüger-Blum den Raum sahen, sagten sie sofort zu und bauten den Termin in ihren gut gefüllten Auftrittskalender ein.Ihnen gefiel, zur Feier des 15-jährigen Theaterbestehens eine weitere Spielstätte gefunden zu haben. Zum Jubiläum „machen wir außerdem am 24. März einen Nachwuchswettbewerb, bei dem man den goldenen Champignon gewinnen kann“, informierte Mohr. Der Wettbewerb findet im Wiesbadener „Thalhaus“ statt, wo „Subito“ jeden Monat mehrmals auftritt.Vegetarischer Metzger

Bis auf Krüger-Blum, die die Kommissarin gab, wusste keiner der Schauspieler zu Beginn, welche Rolle er spielen würde. Auch das legte das Publikum fest. Es verwandelte Mohr in den Metzger und überzeugten Vegetarier Fritz Frideritschi, der nur mit Gummihandschuhen arbeitete und die Bevölkerung parallel mit Mett-Igeln, Veggie-Burgern und Kakakerlaken-Bällchen versorgte. Valerie Lecarte bestimmten die Gäste zur skrupellosen Vermögensberaterin Monika Hahn, die im Lauf des Stücks die Niedernhausener mit ihren obskuren Anlageberatungen in den Ruin stürzte.

Aus Helga Liewald machten die Zuschauer die spleenige Hotelfachfrau Paris Sheraton. Sie hatte erst mit der zerschnittenen Leiche des Rhein-Main-Hotel-Pförtners zu kämpfen und sorgte am Ende selbst für neue Tote, indem sie unter anderem den Putzmann des Hotels mit einem Hummer erstach und im Eishaus schockfrostete.

Die Nebenrollen, wie die des Polizeiassistenten oder der Diskobedienung, übernahmen die drei Hauptverdächtigen ebenfalls aus dem Stehgreif. „Wir arbeiteten nach dem Tap-out-Prinzip“, erklärte Mohr. Das funktioniere ähnlich wie Filmschnitte. Wer eine Idee hat, tippt einem Kollegen auf die Schulter, schickt ihn damit von der Bühne und bringt sich selbst ins Spiel.

Neben der kruden, bis zuletzt offenen Mördersuche lobte das Publikum, wie der Musiker Danny Jaffé jede Szene untermalte und das Quartet die unterschiedlichsten Niedernhausener Lokalitäten vom Wildpark bis zum Tegut einbaute.

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www.wiesbadener-kurier.de/region/untertaunus/niedernhausen/10254119.htm

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