»Keine Angst vor „Misserfolgen“« – 02. März 2007 / Wiesbadener Tagblatt

Wiesbadener Tagblatt, 02.03.2007
Keine Angst vor „Misserfolgen“
Ungewöhnliche Wortkreationen beim Improtheater-Workshop „Espresso“Vom 02.03.2007

Von Anja Baumgart-Pietsch

Ein „Blumenschwein“ und ein „Sonnenpudel“? Was mögen das für gentechnisch veränderte Neuzüchtungen sein? Doch hinter diesem seltsamen Getier verbergen sich nichts weiter als spontane Einfälle. „Denken Sie einfach an irgendein Wort“, fordert Bernhard Mohr die Teilnehmer des Improtheater-Workshops auf.

Dann finden sich jeweils zwei zusammen, die ihre Wörter aneinanderhängen und gemeinsam laut aussprechen. So kommen diese ungewöhnlichen Kreationen zustande – und sind auch gleich wieder vergessen. Das ist einfach eine Lockerungsübung, sagt Schauspieler Mohr, der mit seinem Kollegen Wolfgang Vielsack vom „Subito“-Improtheater diesen Workshop unter dem Titel „Espresso“ an jedem letzten Mittwoch im Monat im thalhaus anbietet.

Das Ensemble „Subito“ hat diese Form des Theaterspielens in den letzten Jahren perfektioniert und tritt vor stets vollen Häusern und enorm amüsierten Zuschauern auf. „Wir sind dann immer wieder gefragt worden, ob man so etwas denn auch lernen kann“, berichtet Mohr von begeisterten Reaktionen aus dem Publikum. Wobei sich das eigentlich etwas widerspricht, denn: Kann man wirklich lernen, spontan zu sein? „Es gibt da schon verschiedene Techniken“, bestätigt Wolfgang Vielsack.

Das Wichtigste ist jedoch, sich einfach auf Situationen und Menschen einzulassen, Hemmungen über Bord zu werfen, anzunehmen, was von den anderen geboten wird und keine Angst vor eventuellen „Misserfolgen“ zu haben. Denn es kommt beim Impro-Theater weder auf Perfektion, noch auf Schönheit, Leistung oder sonstige Kriterien an.

Es ergibt sich sofort ein guter Kontakt zwischen den fünfzehn Teilnehmern. „Den typischen Workshopbesucher gibt es gar nicht“, sagt Vielsack. Es kämen Frauen und Männer, Ältere und Jüngere, und auch alle möglichen Berufsgruppen. Die Schauspieler bieten ihre Improtheatertechnik auch in anderem Rahmen an, zum Beispiel an der Volkshochschule. Doch mit dem thalhaus-Workshop, so Mohr, wolle man ein ganz niedrigschwelliges Angebot schaffen, das kein fortlaufender Kurs sei, keine Anmeldung benötige und wovon man auch beim einmaligen Besuch etwas habe. Doch viele kommen immer wieder.

So auch Barbara Otte-Haker, die begeistert ist: „Man trifft immer wieder neue Leute, jeder Abend ist anders“. Sie wurde von der „Romeo und Julia“-Aufführung der Subito-Schauspieler im „künstlerhaus 43“ angelockt und es reizte sie, einmal auszuloten, ob sie zu so etwas auch fähig wäre. Und sie spielt die wütende Bus-Insassin in der entsprechenden Übung auch sehr überzeugend. Hierbei wird mit fünf Stühlen das Innere eines Busses simuliert, Fahrer und vier Fahrgäste müssen je einen Zettel aus einem Hut ziehen, auf dem eine Eigenschaft steht. Da gibt es den „Frischluft-Fanatiker“, den „Romantiker“, den „Verliebten“ und so weiter. Wer nicht mitmacht, lacht – aber mit, nicht über die anderen. Und muss nachher einschätzen, wie wohl die Eigenschaft auf dem Zettel lautete.

Den Frischluftfanatiker erkennen alle, die Verliebte weniger. Macht nichts, sofort kommt die nächste Übung. Jürgen Prel macht es ebenfalls Spaß. Er ist Amateurschauspieler bei einer Mittelalter-Truppe („in der Szene kennt man mich als `Vierauge`“) und wollte hier mal seine Schlagfertigkeit austesten. Ralf und Petra Schmähling wiederum wurden von Freunden mitgebracht und amüsieren sich köstlich.

„Essen gehen kann doch jeder, wir wollen auch mal was anderes als Abendunterhaltung machen“, sagt Petra Schmähling, die schon fast bedauert, dass sie nach der bald bevorstehenden Geburt ihres Kindes solche Abende zunächst nicht mehr besuchen können wird.

Rechtsanwalt Markus Reichardt dagegen sieht das Impro-Spiel als „nötiges Gegengewicht zu seinem trockenen Job“. Wobei das Improvisieren-Lernen ihm durchaus auch im „richtigen Leben“ helfen kann, fügt er lachend hinzu. Doch in erster Linie ist hier eines angesagt: Spaß. „Und das macht schon fast süchtig“, wie mehrere Teilnehmer zugeben.

Nächster Termin im thalhaus, Nerotal 18: 28. März. Kein Vorverkauf, Abendkasse 8 Euro. Weitere Infos unter www.subito54321los.de

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